Der Pflegeroboter – dein Freund und Helfer?

Im Zentralorgan für Pflegethemen Die Schwester Der Pfleger ging es in einer der letzten Ausgaben groß um das Thema „Digitalisierung/Roboter im Krankenhaus“. Der Tenor ist unter dem Strich deutlich positiv, fast schon euphorisch. Der Fokus liegt auf den Chancen und Möglichkeiten. Ich bin da skeptisch.

Schon vor ein paar Jahren habe ich mal in der SZ einen großen Artikel über das Thema gelesen. Es begann mit der Zustandsbeschreibung von Pflegenotstand in den Kliniken, schlechter Bezahlung, das Übliche. Was kann man da nur tun?, fragte die Autorin und präsentierte als Lösung die Ideen eines so genannten Gesundheitsökonomen. Sein Konzept: Roboter werden zu Pflegeassistenten und entlasten uns als Pfleger.

Bei KI dreht sich die Diskussion häufig darum, dass die Arbeitskraft vieler Menschen künftig überflüssig wird, weil sie von Algorithmen und Maschinen erledigt wird. Für die Pflege werden solche Befürchtungen immer wieder mit folgender Erzählung gekontert: Wir als Pfleger müssen dann einfache Aufgaben nicht mehr erledigen und habe mehr Zeit für das Wesentliche. Mit andern Worten: Die Pflegeroboter sind unsere Freunde, sie machen unsere Arbeit schöner, besser und weniger stressig. Entlassen wird keiner. Und: Sie sind nicht nur unsere Freunde, sondern auch die Freunde der Patienten.

Auch im besagten Schwerpunkt in Die Schwester Der Pfleger findet sich das Argumentationsmuster. Als Rechtfertigung dafür, dass wir die Roboter in der Pflege brauchen, wird erstmal der Personalmangel angeführt, dann kommt das übliche Argument, dass wir entlastet werden. Dann aber verrät sich der Autor Jan-Marc Hodek, Professor für Gesundheitsökonomie, ungewollt. Er schreibt nämlich über die existierende Digitalisierung: „Ohne diese technischen Helfer würden schon jetzt weit mehr menschliche Pflegende benötigt.“ Führt man diesen Gedanken logisch fort, lässt er nur einen Schluss zu:  Auch in Zukunft werden dank der Roboter weit weniger menschliche Pflegende benötigt. Wenn es nach Herrn Hodek und Konsorten geht.

Überraschend ist das nicht. Leute wie diese Gesundheitsökonomen haben gemeinsam mit der Politik in den vergangenen Jahren daran gearbeitet, das Gesundheitssystem marktkonform umzukrempeln. Pflegekräfte werden heute mehr als früher als Kostenfaktoren begriffen. Das hat nicht nur mit einem generellen Umdenken zu tun, sondern ist zum Beispiel auch eine ganz konkrete Folge der Einführung der Fallpauschalen. Die Coronakrise hat den Gegnern dieser neoliberalen Entwicklung Aufwind gegeben, viel war zu hören von gesellschaftlicher Verantwortung, einer breiten Krankenhauslandschaft, den Gefahren des Profitdenkens. Nur: Global geht der Trend weiter in Richtung Privatisierung. Amazon, Google, Facebook und Apple sind schon längst in den Gesundheitsmarkt eingestiegen, betreiben Kliniken, entwickeln Seuchen-Apps, sammeln Gesundheitsdaten von ambulanten Patienten etc. (Joseph Vogl, Kapital und Ressentiment). Natürlich ist die Privatisierung im Gesundheitswesen ein Riesenthema für sich. Ich schneide das hier nur an, weil ich denke, dass man das im Hinterkopf haben muss, wenn über Automatisierung in der Pflege gesprochen wird.

Denn dass es um nackte Zahlen geht, das macht Professor Hadek in seinem Artikel sehr deutlich, er spricht von notwendigen „Kosten-Nutzen-Überlegungen“. Einerseits seien Roboter teuer. Andererseits hätten sie bedeutende Vorteile: kein Gehalt, kein Urlaub, keine Krankheitsausfälle, keine Sozialabgaben, keine Begrenzung auf einen 8-Stunden-Tag, kein Wochenende, keine Feiertage, keine Müdigkeit, keine Stressanfälligkeit. Liest man als Pfleger diese Aufzählung, fühlt man sich irgendwie schlecht. Ich übersetze mal: Wir kosten viel Geld, lassen uns leicht stressen, haben ständig frei, werden zu schnell müde und wollen eigentlich gar nicht arbeiten.

Gruselig wird es aber, wenn man sich anschaut, wie diese Roboterzukunft aussehen soll, zum Teil schon heute aussieht. Der Pflegeroboter „Pepper“ kann laut Professor Hadek „emotionale Zuwendung“ geben. Ich wusste bis jetzt nicht, dass die Forschung schon so weit ist – Roboter haben offenbar Gefühle. Damit können sie eingesetzt werden, so heißt es weiter, um zum Beispiel Menschen mit Demenz Unterhaltung zu bieten, Ansprache und Beruhigung. Es gebe Studien, die zum Ergebnis kamen, dass „diese Art von Robotik gut von pflegebedürftigen Menschen akzeptiert wird“. Auch hierzu die kurze Übersetzung: Sehr alte Menschen freuen sich, wenn ein Roboter zu ihnen ins Zimmer rollt, der so programmiert ist, dass er ihnen ein wenig menschliche Wärme vermitteln kann. Was soll man dazu noch sagen? Eigentlich muss man Menschen wie Jan-Marc Hodek dankbar sein, dass sie uns die Zukunft in ihrer grausamen Controller-Logik so unverblümt vor Augen führen.

6 Gedanken zu „Der Pflegeroboter – dein Freund und Helfer?

  1. hANNES wURST

    Herr Mr Pfleger, Ich bin davon ausgegangen, dass Pflegekräfte nach der anstrengenden Schicht nach Hause schlurfen und noch eine Karlskrone nippen, dann auf der Küchenbank neben dem Kohleofen in sich zusammensinken bevor um 4:30h der Wecker zur nächsten Frühschicht ruft.

    Das scheint bei Dir ganz anders zu sein. Introspektion in sauberer Reportage, meisterlich! Das gilt übrigens auch für die Artikel über die Pflegekammer und die Pflegeroboter, ich will es aber nicht unter alle Artikel schreiben.

    In der Sache ist mir noch eingefallen, dass Schamgefühl (eine komplexe Emotion, die ein Mensch erst spät entwickelt) nicht nur individuell sondern auch situativ sehr unterschiedlich ausgeprägt ist. Die gleichen Menschen, die sich am Nachmittag reserviert im Besprechungsraum gegenübersitzen, begegnen sich am Abend nach dem Training schwitzend und mit entblößter Wampe in der Sauna. Das Krankenhaus, ein Ort an dem die außergewöhnlichsten Dinge passieren, bietet auch die Chance, das situative Schamgefühl neu auszuloten.

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    1. misterpfleger Autor

      Vielen Dank für die netten Worte, hANNEs wURST. Deine Beschreibung des Feierabends ist übigens gar nicht mal so falsch. Was du zum Schamgefühl schreibst, stimmt. Wie immer ist der Kontext entscheidend. Wenn ich mir vorstelle, die Patienten wären alle so genant wie im normalen Leben, wir könnten ja gar nicht arbeiten.

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  2. hANNES wURST

    Was die Pflegeroboter betrifft: ich habe (das ist aber mindestens schon 15 Jahre her) gelesen, dass die Japaner in der Robotik deshalb so weit vorne sind, weil Japanern die Abhängigkeit und Intimität zuwider sei, die mit Pflege durch Menschen verbunden ist. Viel lieber wollen sie, dass ein Roboter das erledigt.

    Ein Roboter, der kocht und spült – technisch noch in weiter Ferne, jedenfalls wenn man sich den Roboter als Androiden mit Kochschürze vorstellt. Die Spülmaschine dahingegen ist kaum noch wegzudenken, wir nennen sie nur selten Roboter. Ebenfalls hat die Waschstraße die Autowäsche per Hand weitgehend abgelöst, Ist Ähnliches in der Pflege denkbar? Warum nicht. Das tägliche Waschen von Patienten ist eine anstrengende und zeitraubende Angelegenheit, die Patientenwaschstraße könnte den Pflegenden mehr Zeit für wichtigere Aufgaben lassen.

    Diese wichtigere Aufgaben haben im Weitesten damit zu tun, professionell und menschlich die Anforderungen und Bedürfnisse der Patienten zu erfüllen: Erkennen von gesundheitlichen Risiken – seien sie körperlicher oder seelischer Natur – Therapie und seelischer Beistand durch Zuhören und Trost. Das kann ein bescheuerter „Pepper“ nicht leisten. Selbst wenn er irgendwann den Turing-Test bestehen sollte – meine ich. Man kann vielleicht einer bedürftigen Person mit einer Pflegerobbe weiterhelfen, Stofftiere erfreuen schließlich auch Kinder. Aber damit eine menschliche Beziehung zu ersetzen halte ich weder für machbar noch für wünschenswert.

    Pflegeroboter als Helfer: ja. Als Freund? Nein.

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    1. misterpfleger Autor

      Ich gehe jetzt hier mal nur auf einen Aspekt ein. Ist es nicht vielsagend, dass du den Vergleich zu einer Waschstraße heranziehst. Einem Auto dürfte es egal sein, dass es von einer Maschine gewaschen wird. Einem Menschen wohl nicht. Aus meiner Sicht als Pfleger ist das Waschen natürlich anstrengend und zeitraubend. Es dient aber auch dem Beziehungsaufbau, man nimmt dabei viele Sachen über den Patienten wahr, medizinische und psychische. Ich bezweifle auch, dass die Zeit, die gewonnen würde, in anspruchsvollere Arbeiten fließen würde. Der Patientenkontakt wäre einfach weniger. Und für jeden Pflegeroboter wird am Ende ein Krankenpflegeassistent entlassen. Oder zwei.

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      1. hANNES wURST

        Die Argumente gegen den Einsatz von Technik kann ich nachvollziehen, andererseits unterliegt das Krankenhaus einem Rationalisierungsdruck. Es wäre bestimmt für den Heilungsprozess förderlich, wenn die Köche ans Bett kämen und den Patienten ihr Leibgericht – aber bitte als gesunde Variante – bereiten. Leider ist das dafür nötige Personal kaum zu finden und das Prozedere viel zu teuer. Wissend, dass manche Kompromisse nötig sind oder werden, finde ich, dass eine Priorisierung notwendig ist. Die Ansprache und die emotionale Zuwendung zu automatisieren halte ich für wesentlich einschneidender als das von mir plakativ gewählte Beispiel der Patientenwaschstraße. Das heißt aber nicht, dass ich das Waschen von Patienten für therapeutisch wertlos halte. Das Waschen geht auch als Ritus über den Reinigungseffekt hinaus. Es geht mir nur um die Frage, wo eine Automatisierung überhaupt in Frage kommt.

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