Pflege in Not und die Folgen für die Ausbildung

Den Pflegenotstand kennt heute jeder, in Deutschland fehlen zehntausende von Kolleginnen und Kollegen in den Krankenhäusern. Den Mangel an Fachkräften will die aktuelle Regierung vor allem mit Pflegekräften aus dem Ausland lindern. Ganz unabhängig davon, ob das funktioniert oder nicht, ist diese Strategie grundsätzlich sehr problematisch. Wer soll künftig die Kranken in Mazedonien oder Albanien pflegen, wenn die Kollegen von dort massenhaft Richtung Deutschland abwandern? Zum andern muss man mehr junge Menschen dazu bringen, sich für die Ausbildung in der Pflege zu interessieren. Aber wie sieht es da im Moment aus?

Die Antwort: Es gibt zu wenige Bewerber. Und es gibt zu wenige geeignete. Der Eindruck aus meiner Ausbildung ist, dass die Schulen fast jeden nehmen, der kommt. Sie sind schlicht nicht in der Position groß auszusieben, weil sie dann ihre Plätze nicht besetzt bekämen. Das soll nicht heißen, dass es keine fitten Leute gibt. Ich habe in meiner Ausbildung viele gesehen, die sehr motiviert waren, selbstbewusst, interessiert und lernfährig. Und auch heute sehe ich unter den Auszubildenden viele mit einem solchen Potenzial. Aber es werden eben auch nicht wenige Bewerber genommen, denen es an unterschiedlichsten Dingen fehlt: ausreichende Deutschkenntnisse, Empathie- oder Kommunikationsfähigkeit, die Bereitschaft, sich reinzuhängen.

Die Gründe sind bekannt: Der Beruf erscheint zu wenigen attraktiv. Weil die Bezahlung zu niedrig ist, der Stress dafür groß. Wahrscheinlich werden die Möglichkeiten zu wenig wahrgenommen, dass man sich weiterbilden und damit auch in andere Bereiche wechseln kann: in die Lehre, Beratung, zu Krankenkassen, in organisatorische Aufgaben. Und dann ist da noch das Problem, das die Pflege mit andern Ausbildungsberufen teilt: Immer weniger junge Menschen wollen überhaupt eine Ausbildung machen, sondern Abitur – und danach studieren. Ob sie ihr Studium abschließen, und wenn ja, ob sie danach gute Aussichten auf dem Arbeitsmarkt haben, sind ganz andere Fragen.

Was bedeutet das für die Ausbildung selbst, dass kaum Vorauswahl stattgefunden hat? Zum einen wurde über die drei Jahre hinweg ausgesiebt. Nicht wenige brechen ab, viele scheitern schon an der Probezeit oder am Ende beim Examen. Aber dann gibt es noch eine nicht unerhebliche Zahl, die irgendwie durchgezogen wird. Bei den Klausuren zu schummeln ist nicht schwer: Einfach zwischendurch aufs Klo und das Handy zücken. Oft waren Leute im Kurs auch an die Klausur zum Thema vom Vorjahr gekommen. Das war sehr hilfreich, denn man konnte sich darauf verlassen, dass diesmal wieder genau dieselben Fragen gestellt werden.

Auch beim Nachweis der Praxisanleitungen in den Klinikeinsätzen mogelten manche, was das Zeug hielt. Oder bei der Anwesenheit: Zu viele Fehlstunden, um beim Examen zugelassen zu werden? Egal, wir drücken beide Augen zu. Man könnte jetzt denken, vielleicht war der Schüler viel krank und dafür wollte die Schule ihn nicht abstrafen. Im Kurs wusste aber jeder: Er hatte einfach nicht so viel Lust auf den schulischen Teil der Ausbildung und machte öfter blau.

Die Auszubildenden haben es schnell raus, wo die Schlupflöcher sind. Und nutzen sie, wo sie können. In einer Lerneinheit zum Thema statistische Methoden sollten wir uns in Gruppen Themen für eine Umfrage suchen und diese dann umsetzen und auswerten. Eine Gruppe sparte sich die Arbeit der Befragung und machte einfach Kreuzchen auf die Fragebögen. Sie bekam eine 1 minus.

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