Will man unter Schwestern und Pflegern Zustimmung einheimsen, muss man nur über „die Ärzte“ herziehen. Gerade bin ich in einer Weiterbildung, und auch unsere Dozenten machen beim Ärztebashing fleißig mit – man weiß nicht, ob aus Gewohnheit oder um das Gemeinschaftsgefühl im Kurs zu stärken. Da wird zum Beispiel behauptet, wenn ein paar Kollegen auf Station mal in Ruhe zusammensitzen, kann es sich nicht um Pfleger handeln, sondern allenfalls um Ärzte. So ein Blödsinn.
Ein anderer lässt kein Klischee über die Mediziner aus, angeblich ist er noch nie einem oder einer begegnet, den oder die man als kompetent bezeichnen könnte. Gleichzeitig lässt er hin und wieder durchscheinen, dass in seinem Freundes- und Bekanntenkreis einige Ärzte sind. Was er damit wohl über sich aussagen will?
Auf Station sind die Klagen über Ärzte auch oft zu hören: Ärzte, die arrogant sind oder angeblich keine Ahnung von ihrer Arbeit haben. Und es stimmt ja auch, mir fallen ebenfalls Negativbeispiele ein. Neulich kam ein Oberarzt ans Bett einer Patientin, wo ich gerade beschäftigt war. Ohne einen Blickkontakt geschweige denn ein Wort in meine Richtung fing er die Visite an und rauschte nach einer Weile wieder ab. Ich war quasi Luft für ihn. Solche Verhaltensweisen erlebt man in der Tat schon mal bei Ärzten, aber wohl nie in der Pflege. Nur ist es in jeder Berufsgruppe so, dass manche ihrer Vertreter etwas unangenehme Zeitgenossen sind.

Außerdem: Die deutliche Mehrheit der Ärzte weiß sich durchaus besser zu benehmen. Und nicht selten habe ich auch Positiverlebnisse. Einen anderen Oberarzt hatte ich aus der Ferne immer als grimmigen Brummbär eingeschätzt. Bis ich feststellte, dass er ein total kommunikativer Mensch ist, der in der Visite die Kollegen einbindet und auch die Pflege auf selbstverständliche Weise nach ihrer Einschätzung fragt.
Insofern finde ich Pauschalurteile so platt wie bei anderen Berufsgruppen auch („Die Lehrer …“, „Die Beamten …“). Dasselbe gilt bei Kritik an fachlichen Entscheidungen. Zwar hat man teilweise eine Ahnung, welche Kollegen die kompetenteren sind, man bekommt ja doch einiges mit, auch manchmal, wie die ärztlichen Kollegen übereinander reden. Oder man wird Zeuge eines offensichtlichen Fehlers. Oft sind wir als Pflege aber nicht in der Lage, ein Urteil zu fällen, weil uns logischerweise das medizinische Wissen fehlt.
Aber es bringt natürlich eine gewisse Genugtuung mit sich, einen Arzt oder eine Ärztin bei einem Fehler zu ertappen. Denn wahrscheinlich ist es unser Minderwertigkeitskomplex, der hinter der ganzen Sache steckt. Was kein Wunder ist: Mediziner haben nun mal studiert, waren meist in der Schule besser, bekommen mehr Geld und sind verantwortlich für die Therapie. Aber es bringt auch nichts, ihnen daraus einen Strick zu drehen. Klar, eigentlich sind wir als Pflege eigenständig, aber natürlich setzen wir viele ärztliche Anordnungen um. Und manchmal knirscht es in der Zusammenarbeit. Was normal ist. Wir müssen ja zusammenarbeiten und meistens klappt das auch ganz gut. Wenngleich die klassische gemeinsame Visite – zumindest in meinem Haus – ziemlich aus der Mode gekommen ist. Es fehlt einfach die Zeit. Aber das ist ein anderes Thema.